Auto zuerst, Klima vergessen: Wie Merz, Spahn & Söder die Gegenwart blockieren
Seit die CDU mit Friedrich Merz an der Macht ist und die Grünen aus der Regierung gedrängt wurden, hat sich der öffentliche Diskurs radikal verschoben. Klimawandel, Umweltschutz, Energiewende – Themen, die noch vor einem halben Jahr in den Schlagzeilen standen, die Talkshows dominierten, die in Feuilletons und Kommentarspalten heftig diskutiert wurden – sind fast verschwunden. An ihre Stelle getreten ist ein monotoner Chor von CDU-Politikern und ihnen nahestehenden Medien: Es geht nur noch um Autos, nur noch um Verbrenner, nur noch um die vermeintliche Sicherung von Arbeitsplätzen.
Dass diese Entwicklung kein Zufall ist, sondern das Ergebnis gezielten Agenda-Settings, liegt auf der Hand. Merz hat gleich nach Amtsantritt den Posten des Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik gestrichen – ein symbolischer, aber deutlich wahrnehmbarer Schlag. Die Botschaft: Klimaschutz hat nicht mehr Priorität. Gleichzeitig präsentierte sich die neue Regierung als Schutzpatronin der Industrie. Bei der IAA traten Merz und Söder Seite an Seite mit den Vertretern der Autolobby auf und warnten davor, das Verbrenner-Verbot „vorschnell“ umzusetzen. Söder sprach von „Arbeitsplatzvernichtung“, Spahn von „falschen ideologischen Wegen“. Diese Rhetorik ist anschlussfähig für die IG Metall und die großen Autokonzerne, die seit Jahren denselben Abwehrreflex pflegen: Klimaschutz gefährdet Jobs.
Doch diese Behauptung ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Studien zeigen, dass bis 2030 rund 90.000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie wegfallen könnten – nicht, weil Verbrenner verboten werden, sondern weil die Branche den technologischen Wandel verschleppt hat.
Schon jetzt sind in nur einem Jahr über 50.000 Jobs verloren gegangen. Nicht wegen Klimapolitik, sondern weil VW, BMW und Mercedes den Markt für Elektroautos an China abgetreten haben. Während BYD und andere Hersteller Milliarden in Batteriezellen, Ladeinfrastruktur und kostengünstige Modelle steckten, zahlten deutsche Konzerne lieber Dividenden an Aktionäre aus. Die Forschungsförderung, die aus Steuergeldern kam, floss weniger in echte Innovation als in Bilanzkosmetik.
Unwissenschaftlich ist der CDU-Kurs obendrein. Jeder Bericht des Weltklimarats zeigt, dass der CO₂-Ausstoß schnell und massiv gesenkt werden muss. Wer heute weiter den Verbrennungsmotor verteidigt, verteidigt nicht Technologieoffenheit, sondern die Physik des 20. Jahrhunderts. Unwirtschaftlich ist er ebenfalls: Batteriefahrzeuge sind längst günstiger im Betrieb, Märkte in Asien wachsen in zweistelligen Raten, selbst die USA unter einem Trump-nahen Kurs setzen Milliarden in Bewegung. Wer in Deutschland jetzt Milliarden in Verbrenner-Subventionen steckt, trägt das Risiko, am Ende mit veralteten Fabriken, Strafzahlungen und verpassten Märkten dazustehen.
Und während all das passiert, schweigen die großen Medien weitgehend.
Als die Grünen noch im Kabinett saßen, war das Thema präsent – trotz Trollarmeen, trotz Hetze, trotz hämischer „Deppensmiley“-Wellen in Kommentarspalten. Wer die Blocklisten voll hatte, konnte immer noch eine lebendige Debatte erleben. Heute hingegen: kaum noch Umfragen, kaum noch Schlagzeilen, keine investigativen Stücke. Was bleibt, sind neutrale Meldungen über Gaspreise, über Energieimporte, über „Technologieoffenheit“. Es wirkt wie orchestriert. Denn wer die Verflechtungen kennt, weiß, wie eng Verlage und Konzerne mit Anzeigenkunden und Politik verzahnt sind. Wer Milliarden mit Autoanzeigen verdient, stellt sich nicht gegen die Autolobby.
Das Ergebnis ist eine gefährliche Schweigespirale: Politik drückt das Thema an den Rand, Medien greifen es nur noch alibimäßig auf, und die Öffentlichkeit gewöhnt sich daran, dass Klimaschutz „erstmal warten kann“. Doch Klimafolgen warten nicht. 2024 und 2025 brachten neue Temperaturrekorde, Dürren in Südeuropa, Überflutungen an Elbe und Donau, massive Ernteausfälle. Und trotzdem gelingt es Merz und seinen Leuten, das Thema kleinzureden, als Nebenschauplatz, als Zukunftsmusik.
Das ist nicht bloß ein Versagen der Politik. Es ist ein Risiko für die Demokratie. Denn wenn fundamentale Fragen – Überleben, Zukunft, Verantwortung – aus der Debatte verschwinden, entsteht ein Vakuum. Und dieses Vakuum füllen Lobbyisten, Ideologen und Populisten mit ihren simplen Parolen. Merz, Spahn, Söder reden vom Verbrenner wie von einer nationalen Identität. Doch in Wahrheit verteidigen sie eine Industrie, die ihre Chancen verspielt hat. Sie verteidigen Aktionärsinteressen, nicht Arbeitsplätze. Und sie verdrängen, dass Deutschland längst nicht mehr vom Auto abhängt wie in den Achtzigerjahren. Maschinenbau, Chemie, Dienstleistungen, IT – die Wirtschaft ist längst breiter aufgestellt.
Die CDU hat es in nur 150 Tagen geschafft, die vielleicht wichtigste Überlebensfrage unserer Zeit in den Hintergrund zu drängen. Das ist nicht nur kurzsichtig. Es ist korrupt, im Kern. Denn diese Politik ist nicht neutral, sie ist gekauft. Sie dient nicht den Menschen, sondern den Lobbys. Und die Medien, die dieses Spiel mitspielen, tragen Verantwortung, dass eine ganze Gesellschaft eingelullt wird.
Die Frage ist: Wie lange lassen wir uns das noch gefallen?
Quellen
ZDF: „Deutsche Autoindustrie in der Krise“ (zdfheute.de)
Markt & Mittelstand: „Absatzkrise deutscher E-Autos in China“ (marktundmittelstand.de)
Handelsblatt: „Bis zu 90.000 Jobs bedroht“ (handelsblatt.com)
Yahoo/IG Metall: „50.000 Jobs verloren“ (finance.yahoo.com)
Spiegel: „Kampf gegen Verbrennerverbot auf der IAA“ (spiegel.de)
Spektrum: „Merz streicht Klimabeauftragte“ (spektrum.de)
BUND-Umfrage: „Mehrheit traut Merz keinen Klimaschutz zu“ (bund.net)
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